In unruhigen Nächten, bei entzündeten Augen, nach kleineren oder grösseren Unfällen, wenn nichts anderes mehr hilft: Ich war schon unzählige Male dankbar um die tröstende, nährende, heilende Mamamilch!

Als ich vor gut 12 Jahren zum ersten Mal Mutter wurde, klappte das Stillen auf Anhieb gut. Allerdings liessen die ersten Unsicherheiten nicht lange auf sich warten.

Ich las irgendwo, dass es wichtig sei, dem Baby zwischen den Stillzeiten drei Stunden Verdauungszeit zu ermöglichen. Die Erklärung, dass das Kind durch die Pausen keine Krämpfe haben würde, schien mir plausibel.

Diese künstlichen Pausen fühlten sich aber so fremdbestimmt und merkwürdig an, dass ich bald wieder damit aufhörte. Mit jedem unserer Kinder erlebten wir Zeiten, in denen sie sogar mehrere Male in der Stunde an meiner Brust getrunken haben. Bauchkrämpfe konnte ich deswegen keine erkennen.

Inzwischen bin ich sicher, dass kleine Menschen genau wissen, was sie wann brauchen und es auch mitteilen. Die Frage ist bloss, ob wir Grossen es verstehen (wollen). Heranwachsende Menschenkinder tun ihre Bedürfnisse bereits während der Schwangerschaft kund. Wer aufmerksam wahrnimmt, was das Kleine im Bauch braucht, wird später auch die Sprache seines Neugeborenen verstehen. Es geht darum, die Intuition der Kleinen zu wahren und auf die eigene Wahrnehmung zu vertrauen. Respektive, sie wieder zu trainieren und zu stärken. Neugeborene Menschenkinder sind zwar hilflos, was die Mobilität angeht. Auf die Zeichen für ihre Grundbedürfnisse ist jedoch Verlass. Jedenfalls so lange, bis wir ihnen unseren «Stundenplan» aufdrängen. Sei es, weil es uns einfacher scheint oder weil wir aus Unsicherheit einem Experten-Ratschlag folgen.

Von einer langjährigen Hebamme habe ich erfahren, dass über 95% aller Mütter stillen könnten. Ob Frau es mit Überzeugung und Freude tut, hängt aber stark von der stillfreundlichen Einstellung ihres Umfeldes vor und nach der Geburt ihres Kindes ab. Mit stillfreundlich meine ich nicht Ratschläge, Belehrungen und Anweisungen sondern das Zureden, Stärken und Unterstützen der frischgebackenen Mama.

Auch wenn es hart klingt: Wenn eine Frau angeblich zu wenig Milch hat oder nicht stillen kann, will sie es in den allermeisten Fällen auch nicht. Das heisst, es kann ein unbewusstes Thema sein, dass sie, respektive ihr Körper, davon abhält. Eine Art Warnzeichen, das wahrgenommen werden möchte. Manchmal ist es nicht der richtige Zeitpunkt, hinzuschauen. Dann kommt es gelegen, dass unsere Gesellschaft dem Satz «ich kann leider nicht stillen» oder «ich hatte zu wenig Milch» mit Mitleid und Verständnis begegnet.

Natürlich soll jede Mutter selbstbestimmt entscheiden, ob und wie lange sie stillen möchte. Es scheint mir einfach wichtig zu erkennen, wie schnell wir in die Opferrolle schlüpfen und die Verantwortung abgeben.

In den über acht Stilljahren mit unseren Kindern habe ich viel erlebt, gelernt und erfahren. Gerne teile ich mit dir einige meiner wichtigsten Erkenntnisse:

  • In den ersten Wochen nach der Geburt brauchen viele Neugeborene mehr oder weniger Zeit, um zu «erzählen». Das kann für die ganze Familie eine Herausforderung sein. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es enorm hilft, wenn ich als Mutter bei mir bleibe und ohne zu werten, respektvoll für den kleinen Menschen da bin. EEH* kann da sehr helfen. Bald wusste ich, wann die Erzählzeit von der Still- und Schlafzeit abgelöst wird.
  • Je mehr ich dem Kind und unserer Kommunikation vertraue, desto schneller weiss ich, was es gerade braucht.
  • Jede Stillbeziehung ist einzigartig. Wenn ich offen bin für alles, steht dem Zauber nichts im Weg. Es kann sein, dass ich abstillen musste und nach Wochen oder Monaten wieder anfange zu stillen. Oder, dass das Kind zwischenzeitlich drei Mal in der Stunde trinkt. Alles ist richtig, nichts ist falsch.
  • Niemand ausser mir weiss, was sich stimmig anfühlt. Es gibt bestimmt Studien darüber, dass Zweijährige in der Nacht nicht mehr an der Brust trinken sollen. Solange es sich für mich richtig anfühlt, stille ich nach Verlangen – Tag und Nacht.
  • Die Begegung mit Kindern auf Augenhöhe, seien sie noch so klein, stärkt ihr Selbstvertrauen. Das Kind fühlt sich angenommen, wenn ich ihm zutraue, dass es seine Bedürfnisse kennt und mitteilt. Stille ich diese nun zeitnah und respektvoll, wird mein Kind zu einem selbstbewussten Menschen voller Selbstliebe und Mitgefühl heranwachsen.

Zurzeit geniesse ich die vierte Stillbeziehung mit unserer jüngsten Tochter. Sie dauert bereits über zwei Jahre und sie stärkt und erfreut mich nach wie vor jeden Tag. ♥️

Welche Erfahrungen hast du gemacht? Was erfüllt dein Herz mit Freude, wenn du ans Stillen denkst? Ich freue mich über deinen Kommentar.

*Emotionale Erste Hilfe